Abgrenzung der Alpen
Abgrenzung gegen andere Gebirge: An drei Stellen gehen die A.
in andere Gebirge über, so daß es Abgrenzungsprobleme gibt:
1. Apennin. Eher selten wird heute der Passo dei Giovi, 472 m (nördl.
v. Genua) als Grenzpaß zwischen A. und Apennin genannt; meist übernimmt
der Colle di Cadibona (auch Colle di Altare genannt), 426 m (zwischen Mondovì
und Savona) diese Funktion, so daß die A. etwa durch die Autobahn
Turin - Fossano - Savona begrenzt werden. Die AK rechnet auch das Langhe-Gebiet
(zwischen Mondovì und Alba) zu den A., was jedoch nicht gerechtfertigt
ist, da dieses Hügelgebiet naturräumlich und kulturgeschichtlich
eindeutig zum Apennin zählt.
2. Jura. Dieser franz.-schweiz.-dt. Gebirgszug ist geologisch eng mit
den franz. randlichen Kalkalpen im Bereich des Chartreuse-Massivs verzahnt.
Als Grenze wird meist die Rhone bezeichnet, die hier zugleich Départementsgrenze
(Savoie - Ain) ist.
3. Das Dinarische Gebirge ist die geolog. Fortsetzung der südl.
Kalkalpen in Richtung Südost auf dem Balkan (als Teilstück des
Gebirgszuges Alpen - Himalaya). Manchmal wird das große Krainer Karst-Plateau
(Suha Krajina) und der Triestiner Karst zu den A. gezählt, meist werden
diese jedoch ausgeschlossen und die Alpengrenze verläuft nahe den
Städten Gorizia/Gorica/Görz - Ajdovscina - Postojna.
Abgrenzung der A. am Alpenrand: Während die A. im Süden
steil aus der Poebene aufsteigen (keine Abgrenzungsprobleme), ist die Alpengrenze
am West-, Nord- und Nordostrand weniger eindeutig, und hier sind den A.
teilweise Hügelgebiete (z.B. provenzalische Kalkhochflächen,
Emmental, Hausruck nordöstl. von Salzburg) vorgelagert, bei denen
der Bezug zu den A. umstritten ist.
Grundsätzlich gibt es zwei Abgrenzungsmethoden: eine naturräumliche,
geolog.-geomorph. geprägte (Unterschiede im Ausgangsgestein und im
Relief), die sich an naturräumlichen Grenzen (Hangfuß) orientiert,
und eine anthropogen geprägte (Benachteiligung für Wirtschaft
durch steiles Relief, ungünstigen Boden, hohe Niederschläge sowie
schlechte Einkommenssituation), die sich an den Gemeindegrenzen orientiert.
Die gesetzlich festgeschriebenen Grenzen des Berggebiets basieren auf dem
zweiten Kriterium, und da die Gemeinden am Alpenrand immer ebene und
gebirgige Flächen umfassen, fällt diese Abgrenzung etwas großzügiger
als die naturräumliche aus. Ein besonderes Problem stellen die Städte
direkt am Alpenrand dar: Sollen Wien, Salzburg, Graz, Brescia, Bergamo,
Luzern oder Annecy zu den Alpen gezählt werden? Damit die A. nicht
von den randalpinen Großstädten dominiert werden, wäre
es sinnvoll, Alpenrandstädte mit mehr als 40./50.000 Einwohnern von
den A. auszuschließen (so auch das neue italienische Berggebietsgesetz).
Alpen, Definition.
Die A. gelten zwar als das größte und höchste Gebirge
Europas, eine allgemein anerkannte, verbindliche Vorstellung davon, wie
sie abzugrenzen und zu definieren seien, existiert aber weder in den Naturwissenschaften
noch in Wirtschaft und Politik. Vielmehr hängen die verschiedenen
Definitionen entscheidend von den Zielen ab, die jeweils damit verbunden
sind. In beiden Bereichen gibt es drei Definitionsmöglichkeiten (eng/mittel/weit
gefaßt):
1. Naturräumliche Alpendefinitionen:
a) enge Def.: Die naturräumlichen Verhältnisse und
Prozesse, die die Besonderheit der A. im Unterschied zu anderen europ.
Räumen ausmachen, finden sich v.a. im oberen Höhenstockwerk.
Die mittleren und unteren Bereiche unterscheiden sich dagegen von außeralpinen
Regionen nur wenig. Im engen Sinn bestehen so die A. nur aus der (subalpinen),
alpinen und nivalen Höhenstufe.
b) mittlere Def.: Meist wird jedoch das obere mit dem mittleren
und unteren Höhenstockwerk zusammengefaßt, wobei größere
ebene Talräume (wie das Rheintal zwischen Chur und Bodensee oder das
Rhonetal zwischen Martingy und Genfer See) und inneralpine Becken (als
größtes das Klagenfurter Becken) zu den A. hinzugerechnet werden.
Zur Abgrenzung nach außen wird fast immer eine Kombination von Geologie
(A. = Gesteine, die im Prozeß der Alpenbildung unter hohem Druck
verfestigt wurden; Voralpen = Gesteine, die durch glaziale oder fluviale
Erosion aus den Alpen heraustransportiert wurden) und Relief (A. = deutlich
steileres Relief als im Alpenvorland) verwendet.
c) weite Def.: Weil große Gebiete um die A. herum direkt
oder indirekt von ihnen beeinflußt sind (Geologie: Gesteine, die
aus den Alpen stammen; Geomorphologie: eiszeitliche Moränen; Hydrologie:
Wasserführung der Flüsse von den A. bestimmt; Klima: Stauniederschläge
und Föhn), werden diese gelegentlich ebenfalls zu den A. gezählt.
Grenzen sind dann Rhone - Jura-Südfuß (Genfer See - Neuenburger
See - Aare) - Hochrhein - Donau und Po.
2. Wirtschaftlich-politische Alpendefinitionen:
a) enge Def.: Zum Ausgleich naturräumlicher Benachteiligungen
wurde von fast jedem Staat mit Alpenanteil ein "Bergbauerngebiet" oder
ein System von "Erschwerniszonen" für die Landwirtschaft ausgewiesen
(Grundlage: Der einzelne Hof/A; naturräumliche Einheiten/CH; Gemeinden/F).
Gebiete innerhalb der A. ohne besondere Benachteiligung für die Landwirtschaft
(Talböden, Beckenlagen) wurden dabei ausgeschlossen, so daß
die bergbäuerliche Def. der A. eng ausfällt (ca. 5 Mio. Einwohner).
Noch enger werden die A. in touristischer Perspektive verstanden: Hier
fangen sie oft erst bei mind. 1.000 m Seehöhe an bzw. dort, wo die
Hochgebirgsregion (siehe 1a) beginnt. Allerdings existieren diese "Grenzen"
nur in den Köpfen.
b) mittlere Def.: Fast alle Staaten mit Alpenanteil haben für
ihre Berggebietsgesetze ein "klassifiziertes Berggebiet" gesetzlich festgelegt,
womit das Ziel verfolgt wird, die Berggebiete insgesamt (nicht bloß
die Berglandwirtschaft) zu fördern. Die Abgrenzung orientiert sich
an naturräumlichen Benachteiligungen und wirtschaftlicher Strukturschwäche
und erfolgt auf Gemeindeebene (in I und F auch Teilflächen von Gemeinden).
In etwa entspricht dies der Def. 1b, nur fällt diese Def. am Alpenrand
etwas großzügiger aus, weil die Alpenrandgemeinden immer ebene
und gebirgige Flächen umfassen.
Die AK basiert auf dieser Def., modifiziert sie aber etwas: 1) In der
Schweiz werden unverständlicherweise die randalpinen Hügelgebiete
(Emmental, Zürcher Oberland) aus dem Geltungsbereich der A. ausgeschlossen;
2) in Bayern wird das gesamte Alpenvorland zu den A. gezählt (Kreis-
und nicht Gemeindegrenzen als Bezugspunkt), wodurch die Fläche der
Bayer. A. verdoppelt und die Einwohnerzahl verdreifacht wird; 3) mit den
Städten am Alpenrand verfährt die AK widersprüchlich, indem
sie manchmal einbezogen (z.B. Salzburg), manchmal ausgeschlossen werden.
Hier besteht noch Handlungsbedarf für eine stimmige Konzeption und
Abgrenzung.
Da der Alpenrand vergleichsweise dicht besiedelt ist (Landwirtschaft,
Auspendler) und da hier zahlreiche große und kleine Städte liegen,
kommt einer sehr genauen Abgrenzung dieser mittleren Def. ein hoher Stellenwert
zu: Flächendifferenzen von nur 10 % haben zur Folge, daß die
Alpenbevölkerung zwischen 7 und 14 Mio. Einwohner schwanken kann.
c) weite Def.: Schon in den ersten internationalen Konferenzen
für eine gesamtalpine Raumordnung in den frühen 70er Jahren wurden
die Alpen mit ihren Vorländern zu einem großen "perialpinen
Raum" zusammengefaßt, um den wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen
der A. gerecht zu werden und um keine politischen Einheiten (wie Bayern,
Lombardei, Rhone-Alpes) zu zerschneiden. Die Konzeption der drei alpinen
Arbeitsgemeinschaften ist dieser Abgrenzung verpflichtet und geht daher
weit über die A. nach Def. 2b hinaus. Im Jahr 1995 hat die EU im Rahmen
ihrer Gliederung Europas in neun Großregionen einen "Alpenbogen"
mit einer Fläche von 450.000 km2 und 70 Mio. Einwohnern ausgewiesen,
der aus Bayern, Baden-Württemberg, Österreich, Schweiz, Oberitalien
usw. besteht ("Europa 2000+"). Dies könnte für künftige
europäische Raumentwicklungs- und Regionalpolitik wichtige Folgen
haben.
3. Def. dieses Lexikons: In naturräumlicher Perspektive
sind die A. ein Hochgebirge der kühl-gemäßigten Zone, das
im Südwesten in die mediterrane Klimazone hineinreicht. In kulturgeographischer
Perspektive sind die A. eine europ. Großregion, die einerseits Lebens-
und Wirtschaftsraum der hier lebenden Menschen, andererseits ein wichtiger
Ergänzungsraum der europ. Agglomerationen (ökologischer Ausgleichs-,
Erholungs-, Transit-, Wasserkraft-, Wohnraum für Alpenrandstädte)
ist. Um diese Aufgaben langfristig und nachhaltig erfüllen zu können,
bedarf es alpenspezifischer Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft,
die der besonderen Umweltsituation der A. (die nicht nur eine Bedrohung
und Behinderung, sondern auch eine Chance darstellt), ihrer Geschichte
und ihrer Kultur bewußt Rechnung tragen. Grenzt man die A. zu weit
ab (Def. 2c), dann wird dieser Raum ökonomisch und politisch von den
großen Städten und Agglomerationen mit deren spezifischen Problemen
und Möglichkeiten dominiert. Grenzt man die A. zu eng ab (Def. 2a),
dann werden zentrale ökonomische, kulturelle und ökologische
Vernetzungen zerrissen. Deshalb ist für diesen Zweck die Def. 2b am
besten geeignet, bei der zusätzlich am Alpenrand Städte mit mehr
als 50.000 Einwohnern aus den A. ausgeschlossen werden, weil sie in der
Regel auf die europ. Zentren und nicht auf ihr alpines Hinterland orientiert
sind. Die A. bestehen somit aus 5.814 Gemeinden in 7 Staaten (A, CH, D,
F, FL, I, SLO) mit einer Fläche von 181.489 km2 und 11,01 Mio. Einwohnern
im Jahr 1990/91.
Alpen-Konvention
(AK). Internationales Vertragswerk zur Durchsetzung einer nachhaltigen
Entwicklung im Alpenraum, mit dem "die Alpen" zum erstenmal in der Geschichte
gemeinsam in Europa auftreten.
Vorgeschichte: Bereits im Gründungsdokument der Internationalen
Alpenschutzkommission CIPRA war 1952 die Forderung nach einer Alpenschutzkonvention
enthalten; Mitte der 80er Jahre stellte die CIPRA diese Forderung in den
Mittelpunkt und leistete dazu wesentliche Vorarbeiten. Dabei war einige
Zeit lang unklar, ob es sich bei einer solchen Konvention um ein Instrument
des Natur- und Umweltschutzes (sektorale Umweltpolitik = Alpenschutzkonvention)
oder um ein integratives Instrument im Sinne des nachhaltigen Wirtschaftens
(integrative, ressortübergreifende Raumordnungspolitik = Alpenkonvention)
handeln solle. Es setzte sich die zweite Position durch, weil ein auf (mehr
oder weniger kleine) Schutzgebiete beschränkter Umweltschutz den aktuellen
ökologischen Problemen nicht gerecht werden kann, weil in den A. als
flächenhafter Kulturlandschaft eine rigide Trennung zwischen Schutz-
und Nutzgebieten nicht sinnvoll ist und weil die A. nicht als europ. Naturschutzgebiet,
sondern als menschlicher Lebens- und Wirtschaftsraum eine Zukunft haben
sollen.
Das langfristig angelegte Engagement der CIPRA für eine AK, das
von weiteren Gruppen (Deutscher Naturschutzring, BUND, Arge Alp und Parteien
(ASA) unterstützt wurde, führte schon 1989 sehr plötzlich
und für alle Beteiligten völlig unerwartet zum Erfolg: Der damalige
deutsche Umweltminister Klaus Töpfer lud seine Amtskollegen der Staaten
mit Alpenanteil zu einer Alpenkonferenz nach Berchtesgaden ein, wo über
die Ausarbeitung einer AK diskutiert werden sollte. Auf dieser Konferenz
waren sich die Umweltminister über die Notwendigkeit einer AK einig.
Es wurde ein 87-Punkte-Programm mit Leitideen für die AK verabschiedet
und der politische Prozeß in die Wege geleitet.
Konvention: Eine Konvention ist ein verbindlicher (= einklagbarer)
völkerrechtlicher Vertrag zwischen Staaten, der über nationalem
Recht steht. Diese Rechtsform wurde gewählt, weil man verbindliche
Regelungen und nicht nur Empfehllungen (wie bei den alpinen Arbeitsgemeinschaften)
erarbeiten wollte. Außerdem hatte sich diese Rechtsform bei zahlreichen
internationalen Umweltproblemen bereits bewährt. Damit hatte man aber
de facto Neuland betreten, weil die bisherigen Umweltkonventionen eng umgrenzte
Sachverhalte behandelten (sektorale Umweltinstrumente), die AK dagegen
integrativ angelegt ist.
Inhalt: Das Ziel der AK ist die Durchsetzung bzw. Gewährleistung
eines umweltverträglichen Wirtschaftens im gesamten Alpenraum,
und zwar sowohl im Wirtschaften der Einheimischen als auch bei allen europ.
Wirtschaftsaktivitäten in den A. (Transitverkehr, Wasserwirtschaft,
Tourismus usw.). Auch wenn der Begriff "nachhaltig" nicht ausdrücklich
fällt (zwei Jahre vor der Rio-Konferenz), so ist doch die gesamte
Konzeption der AK von solchem Denken geprägt: Realisierung der Umweltschutzziele
nicht durch Schutz der Natur vor menschlicher Nutzung, sondern mittels
angepaßter Nutzung.
Obwohl das 87-Punkte-Programm von Berchtesgaden sehr eindeutig und
klar konzipiert wurde, war den Politikern anfangs nicht ganz klar, worauf
sie sich eingelassen hatten: Schon der offizielle Titel der AK "Übereinkommen
zum Schutz des Alpenraumes (Alpenkonvention)" erweckt den Anschein eines
reinen Umweltschutzinstruments. Auch die politische Federführung lag
zunächst lange Zeit beim Umweltministerium, bis man merkte, daß
dies der AK nicht gerecht wurde, sodaß eine ressortübergreifende,
interministerielle Kommission eingerichtet wurde.
Mitglieder und Beobachter: Die Mitglieder bzw. Vertragspartner
der AK sind die Staaten mit Alpenanteil, also A, CH, D, F, FL, I, SLO,
seit 1994 auch MC, sowie die EU, weil die zentralen Alpenprobleme nationales
Recht betreffen und auf Länderebene (Arge Alp) keine ausreichenden
Kompetenzen zur Problemlösung bestehen.
Daneben gibt es gegenwärtig neun offizielle Beobachter, die in
den einzelnen Arbeitsgruppen mitarbeiten, jedoch nicht abstimmungsberechtigt
sind: Internationale Alpenschutzkommission CIPRA, Internationale Naturschutz-Union
IUCN, die Europ. Vereinigung der gewählten Berggebietsvertreter AEM,
die Internationale Föderation der Berg- und Seilbahnen FIANET, der
Club Arc Alpin, die drei alpinen Arbeitsgemeinschaften und die Arbeitsgemeinschaft
Alpenstädte.
Geltungsbereich und Abgrenzung: 1991 wurde der Geltungsbereich
der AK auf Gemeindeebene festgelegt. Dabei gab es bedauerlicherweise z.T.
Differenzen zum klassifizierten Berggebiet und größere Inhomogenitäten
zwischen den Mitgliedsstaaten: Bayern grenzte im Gegensatz zu allen anderen
Staaten sein AK-Alpengebiet mittels Landkreisgrenzen ab, wodurch das gesamte
Alpenvorland in den Geltungsbereich der AK fällt. Die Schweiz grenzte
größere randalpine Gebiete wie das Emmental oder das Zürcher
Oberland aus der AK aus, obwohl sie als Berggebiet klassifiziert sind.
Größere Städte am Alpenrand werden teils zur AK gezählt
(Luzern, Salzburg), teils ausgeschlossen (Graz, Biella).
Rahmenkonvention und Protokolle: Da eine Konvention als völkerrechtlicher
Vertrag vom Parlament jedes Mitgliedsstaates ratifiziert werden muß
(ein aufwendiges Verfahren), wurde die AK in eine Rahmenkonvention, die
das allgemeine Procedere vorgibt, und in Fach-Protokolle, die die inhaltlichen
Dinge regeln, zerlegt. Von den Parlamenten muß nur die Rahmenkonvention
ratifiziert werden, bei den Protokollen genügt die Unterzeichnung
durch die Umweltminister.
Stand Rahmenkonvention: Die Rahmenkonvention wurde 1991 von
den Umweltministern von A, CH (CH nur unter Vorbehalt bis zur Kenntnis
der Protokolltexte), D, F, FL, I, YU, EU sowie 1994 von MC unterzeichnet
und bislang von den Parlamenten in A, D, F, FL, SLO (als Nachfolger für
YU) sowie von der EU ratifiziert. In Italien wurde die Ratifizierung durch
Staatskrise und Regierungswechsel verzögert, dürfte aber 1997
erfolgen. In der Schweiz wehrten sich die Alpenkantone unter Führung
Graubündens jahrelang vehement gegen die AK, weil sie darin eine politische
Bevormundung und Fremdbestimmung sahen. Nachdem im August 1996 dieses Problem
politisch gelöst wurde, dürfte auch hier 1997 die Ratifizierung
erfolgen. Seit dem 6. März 1995 ist die Rahmenkonvention offiziell
in Kraft getreten.
Stand Fach-Protokolle: Die Protokolle "Raumplanung und nachhaltige
Entwicklung", "Berglandwirtschaft" sowie "Naturschutz und Landschaftspflege"
wurden 1994, die Protokolle "Bergwald" und "Tourismus" (letzteres erst
nach harter Konfrontation und inhaltlicher Entschärfung) 1996 unterzeichnet
und sind in Kraft getreten. Beim Protokoll "Verkehr" gibt es 1995/96 noch
heftige Differenzen zwischen Österreich, das auf dem Neubauverbot
von alpenquerenden Hochleistungsstraßen besteht, und den übrigen
Staaten. Sollte kein tragfähiger Kompromiß gefunden werden,
kann die AK daran scheitern (Ausscheiden Österreichs aus der AK) oder
zum Papiertiger verkommen (Verlust eindeutiger Festlegungen führt
zur inhaltlichen Beliebigkeit). Die Protokolle "Bodenschutz" und "Energie"
sind in Bearbeitung.
Die Probleme der AK: Die AK muß als völkerrechtlicher
Vertrag in nationales Recht übernommen werden. Dies ist bisher nicht
einmal ansatzweise geschehen (Bezug AK-Berggebietsgesetze) bzw. bei den
Protokollen nicht möglich, weil sie zu allgemein formuliert sind und
keine eindeutigen juristischen bzw. planungsrechtlichen Begriffe enthalten.
Deshalb hat die AK bislang nur den Stellenwert einer politischen Absichtserklärung.
Wenn man die unterschiedlichen politischen und raumplanerischen Systeme
in den A. betrachtet, wird verständlich, warum ein schnelleres Vorgehen
nicht realistisch ist: Der Aufbau einer wirklich gemeinsamen Alpenpolitik
braucht viele Jahre, gerade wenn die verschiedenen politischen Ebenen und
die betroffene Bevölkerung aktiv miteinbezogen werden sollen.
Weitere Probleme: Die sehr allgemein gehaltenen Aussagen der ersten
Protokolle, denen noch regionsspezifische Ziele fehlen (was für eine
2. Protokoll-Generation geplant ist, die bald nach Abschluß der 1.
Protokoll-Generation eingeleitet werden soll); das Fehlen eines ständigen
AK-Sekretariates, das erst eine effektive und aktive Arbeit ermöglicht
(Bewerbungen für den Sitz: Bozen und Innsbruck); sowie die völlig
ungeklärte Frage nach der Instanz, die bei Verstößen gegen
die AK zuständig wäre (Alpen-Gericht).
Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme ist das Ziel, das mit der
AK verfolgt wird, weiterhin richtig und notwendig. Der politische Prozeß
ist inzwischen so weit vorangeschritten, daß er nicht mehr von außen
abgeblockt, wohl aber in verschiedene Richtungen (zahnlose Absichtserklärungen
- griffiges Instrument) gelenkt werden kann.
Zum Charakter der AK: Die AK steht im Kontext ähnlicher
politischer Strukturen in Europa: Nordsee-Konferenz, Ostseekonvention,
Mittelmeeranrainer-Konferenz, Arktischer Rat. Sie alle sind entstanden,
um grenzüberschreitende (Umwelt-)Probleme auf internationaler Ebene
durch die unmittelbar Betroffenen (und nicht via EU oder Europarat) zu
lösen. Im Unterschied zu den anderen Initiativen ist die AK bereits
sehr viel konkreter geworden; sie stellt derzeit europaweit den ernsthaftesten
und konkretesten Versuch dar, in einer europ. Großregion die Prinzipien
eines nachhaltigen Wirtschaftens flächenhaft umzusetzen. Viele ihrer
Probleme sind damit verbunden, daß es für einen solchen Ansatz
noch kein Vorbild gibt und man erst mühsam aus Fehlern lernen muß.
Die AK besitzt deshalb eine Pilot- und Vorreiterfunktion für viele
andere europ. (Groß-)Regionen.
Aktionsplan zur Umsetzung der AK: Weil die AK nicht kurzfristig
realisiert werden kann, hat die CIPRA seit 1989 immer wieder gefordert,
daß Einzelpunkte aus den Protokollen kurzfristig beschlossen und
umgesetzt werden sollten, damit in den A. und in Europa konkret sichtbar
wird, daß es mit der AK vorwärts geht. Zu diesem Zweck wurden
"entscheidungsreife Fragen und Punkte" zusammengestellt (Einzelpunkte,
bei denen alpenweit bereits ein Konsens besteht) und "Pilotprojekte" zur
exemplarischen Umsetzung vorgeschlagen. Im Herbst 1996 veröffentlichte
die CIPRA erneut einen "Aktionsplan zur Umsetzung der AK" mit einer Reihe
von konkreten Vorschlägen, und es ist zu hoffen, daß ihn die
Hohen Beamten der AK aufgreifen. Ohne kurzfristige konkrete Maßnahmen
kann die AK langfristig nicht realisiert werden.
Alpenpolitik. Dieser
Begriff ist heute zwar noch nicht gebräuchlich (stattdessen meist
"Berggebietspolitik"), drängt sich aber inzwischen auf, weil mit den
drei alpinen Arbeitsgemeinschaften und v.a. mit der AK eine spezifische
Alpenpolitik sichtbar geworden ist.
1. Die bisherige Entwicklung einer Alpenpolitik
1.1 Vorläufer: In den 20er Jahren entwickelten
sich - zuerst in der Schweiz und in Italien - die ersten Ansätze für
eine Berggebietspolitik, bei der die A. von Beginn an eine zentrale Rolle
spielten. Sie wurden in den 30er Jahren meist unter faschistischen Vorzeichen
alpenweit ausgebaut. Ziel der in der Regel auf die Land- und Forstwirtschaft
konzentrierten Aktivitäten war es, die A. als Wirtschafts- und Siedlungsraum
zu erhalten, teilweise in explizit militärstrategischer Absicht (bessere
Grenzsicherung). Charakteristisch: Alle Maßnahmen orientierten sich
strikt an den Staatsgrenzen und jede grenzüberschreitende Strategie
war undenkbar.
In den 50er Jahren wurden dieser Ansätze z.T.
wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Die streng nationale Orientierung
blieb bestehen.
1.2 Erste alpenweite Ansätze: Zu Beginn
der 70er Jahre entstand im Kontext der neuentstehenden Umweltbewegung zum
ersten Mal die Erkenntnis, daß ungezügeltes Tourismus-, Siedlungs-
und Verkehrswachstum in den A. zu großen (Umwelt-)Problemen führt
und daß Lösungen alpenweit ansetzen müßten. Bis Ende
der 70er Jahre fand fast jedes Jahr eine große, prominent besetzte,
internationale Tagung statt, auf der Strategien für eine gemeinsame
Raumordnungspolitik im Alpenraum intensiv diskutiert wurden - letztlich
allerdings völlig erfolglos, weil die Zeit dafür noch nicht reif
war und nationale Aspekte dominierten. Die Mißerfolge führten
fast zehn Jahre lang zu einer tiefen Enttäuschung und Skepsis bei
den Protagonisten dieser Entwicklung.
Lediglich auf der Länderebene entstand in dieser
Zeit mit den drei alpinen Arbeitsgemeinschaften eine erste internationale
Zusammenarbeit.
1.3 Stagnations- und Vorbereitungsphase (1979-89):
Ab 1979 ging das Interesse an alpenweiten Konzeptionen zurück. Politiker
und Wissenschaftler konzentrierten sich jeweils auf ihre nationalen Alpenräume
und Berggebiete. Das große UNESCO-Forschungsprogramm "Man-and-Biosphere/MAB"
(Mensch und Umwelt im Hochgebirge), das in der zweiten Hälfte der
70er Jahre in ausgewählten Alpentälern in A, F, CH, D einsetzte
- eine alpenweit gemeinsame Forschungskonzeption war nicht zustandegekommen!
- brachte dann in der ersten Hälfte der 80er Jahre viele neue Erkenntnisse
und Einsichten, die jedoch die nationale Dimension stärkten und den
alpenweiten Blick eher blockierten.
Parallel entstand zu Beginn der 80er Jahre erst
zögernd, später dann rasch immer breiter werdend eine Basisbewegung
entlang der großen Konflikte und Probleme im Alpenraum. Sie begann
sich bald grenzüberschreitend zu vernetzen, weil die Probleme auf
der nationalen Ebene allein nicht mehr zu lösen waren. Die Initiativen
gegen den Transitverkehr erregten europaweit Aufsehen, aber auch im Bereich
Tourismus, Landwirtschaft, Handwerk, Umweltschutz, Kultur entstand eine
Vielzahl lokaler und regionaler Initiativen, die nicht bloß gegen
etwas gerichtet waren, sondern die sich für ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen Wirtschaft-Kultur-Umwelt und für eine
lebenswerte Gestaltung ihrer Heimat engagierten.
1.4 Aufschwung mit der AK: Der unerwartete
Beschluß der Umweltminister im Jahr 1989, eine Alpenkonvention zu
erarbeiten, führte innerhalb weniger Jahre zu einem wahren Boom neuer
Formen der Zusammenarbeit in den A., die heute bereits so zahlreich geworden
sind, daß ein Überblick kaum noch möglich ist. Davon sind
jetzt mehr oder weniger alle Bereiche - Politik (incl. Gewerkschaften),
Wirtschaft, Kultur und Wissenschaften - betroffen. Sie bilden den "Unterbau"
für die AK, die ohne diese Initiativen ziemlich wirkungslos bleiben
müßte.
2. Die künftigen Herausforderungen einer
Alpenpolitik:
Das Ziel der Alpenpolitik - die Durchsetzung eines
nachhaltigen Wirtschaftens und einer nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum
mit Hilfe des Instruments der AK - steht zwar fest, allerdings gibt es
bei seiner Umsetzung noch erhebliche Unklarheiten bzw. Unsicherheiten.
Diese bestehen in folgenden Punkten:
2.1 Europa der Regionen oder EU-Berggebietspolitik?
Der Stellenwert der AK im europ. Kontext steht noch nicht fest. Es gibt
dabei grundsätzlich zwei Alternativen: Sind die A. eine europ. Großregion
(so wie von der EU im Konzept "Europa 2000+" vorgedacht, allerdings mit
problematischer Abgrenzung) und gehen andere Regionen wie die Nordseekonferenz,
Ostseekonvention, Mittelmeeranrainer-Konferenz usw. einen ähnlichen
Weg, so daß parallel zum Europ. Binnenmarkt ein Europa der Regionen
entsteht, das analog zur AK jeweils spezifische Lösungen in den einzelnen
(Groß-)Regionen realisiert? Oder ist die AK Bestandteil einer
europ. Berggebietspolitik (z.B. Charta der europ. Berggebiete), so daß
Europa in die Raumordnungsgebietstypen Berggebiete, ländlicher Raum
außerhalb der Berggebiete, städtische Agglomerationen, altindustrielle
Gebiete mit Strukturproblemen u.ä. zerfiele?
Beide Möglichkeiten ließen sich derzeit
realisieren. Die Weiterentwicklung der EU-Raumordnungs- und Regionalpolitik
(über deren Konzeption derzeit heftig diskutiert wird) dürfte
diese Frage langfristig beantworten. Falls der Alpenraum bald eine eindeutige
Position erarbeitet, könnte er damit möglicherweise erheblichen
Einfluß auf die künftige Gestaltung Europas nehmen.
2.2 Integrative versus sektorale Politikstrukturen:
Die bisherigen Erfahrungen mit der AK haben gezeigt, daß eine nachhaltige
Entwicklung integrative politische Strukturen anstelle sektoraler erfordert.
Allerdings ist noch unklar, wie ein solcher Umbau der politischen Systeme
realisiert werden kann.
2.3 Subsidiarität versus Zentralismus:
Heute wird zwar gern - auch im Zusammenhang mit der AK - von der Notwendigkeit
der Subsidiarität gesprochen. Wie diese aber in den Alpenregionen
mit zentralistischer Vergangenheit neu aufgebaut werden könnte, ist
ebenso offen wie die Frage, ob die Ebene der Berggebietsregion (Kleinregion)
nicht durch Einführung direktdemokratischer Elemente politisch gestärkt
werden müßte. Auch bei der "richtigen" Aufgabenverteilung zwischen
AK, Staat, Bundesland, Region und Gemeinde gibt es mehr Fragen als Antworten.
Denn für eine nachhaltige Entwicklung muß sowohl Zentralismus,
wie auch ein egoistischer Partikularismus (Kirchturmpolitik auf Gemeinde-,
Regions-, Bundeslandebene) vermieden werden.
2.4 Gebietsabgrenzung und politische Konsequenzen:
Eine Abgrenzung der A. nach den Grenzen der Bundesländer ist nicht
sinnvoll, und auf der Ebene der Landkreise, Bezirke usw. gilt in abgeschwächter
Form das gleiche. Wie ist eine internationale Zusammenarbeit zu organisieren,
bei der politisch relevante Einheiten manchmal vollständig, manchmal
nur in Teilfächen zum Geltungsbereich gehören?
2.5 Aufbau einer außeralpinen Lobby?
Benötigt ein Prozeß wie die AK eine außeralpine Lobby
im Bereich der europ. Politik und der Öffentlichkeitsarbeit oder reichen
dafür die bestehenden Strukturen aus? In den letzten fünf Jahren
sind eine Reihe von politischen Lobbygruppen neu entstanden - soll die
AK diesen Prozeß fördern oder bremsen? Können und sollen
die Alpenvereine in bezug auf eine nachhaltige Alpenentwicklung in Europa
eine aktive Öffentlichkeitsarbeit betreiben, und welche anderen Gruppen
könnten dabei ebenfalls einbezogen werden?
Alle diese Fragen müssen mittelfristig gelöst
werden, wenn aus der AK eine konsequente Alpenpolitik werden soll.
Wirtschaftsgeschichte
der A. Die A. haben an der europ. Wirtschaftsentwicklung stets vollen
Anteil, und keine Phase ihrer Geschichte ist durch Abschottung geprägt.
Im europ. Kontext sind die A. nie ein insgesamt benachteiligter Raum, sondern
bestimmte Teilräume zählten jeweils zu den Gunst-, andere zu
den Ungunstregionen Europas.
1. Wildbeutergesellschaften. Wirtschaftsbasis
sind Jagd, Sammelwirtschaft und Fischerei. Die vorgefundenen naturräumlichen
Verhältnisse werden durch den Menschen nicht verändert.
1.1 Paläolithikum (Altsteinzeit): Die
frühesten Hinweise auf Menschen in Europa stammen vom Südwestrand
der A. (Höhle an der Riviera bei Monaco) und sind etwa 1 Mio. Jahre
alt (= Beginn der Günz-Eiszeit). Wann die ersten Jäger und Sammler
in die A. vordrangen, ist unbekannt. Da verschiedene Tiere großräumige
Weidewechsel zwischen den A. und dem Alpenvorland unternehmen, können
wir annehmen, daß die A. relativ früh von Wildbeutern durchstreift
wurden.
Die ältesten Funde von Menschen in den A. selbst
sind etwa 100.000 Jahre alt (Ende der letzten Zwischeneiszeit) und stammen
aus verschiedenen Höhlen (u.a. "Drachenloch", 2445 m, westlich von
Chur). Weitere Höhlenfunde aus der Zeit um 40.000-70.000 v.Chr. (u.a.
"Wildkirchli" am Säntis) belegen, daß Menschen selbst mitten
in der Eiszeit zumindest am Alpenrand gejagt haben.
1.2 Mesolithikum (Mittlere Steinzeit, ca.
10.000-5.500 v.Chr.): Die Zahl der Wildbeuter in den A. erhöhte sich
seit dem Ende der letzten Eiszeit stark. Die jetzt sich herausbildenden
spezialisierten Wildbeutergesellschaften (auf Höhlenbären oder
Rotwild spezialisierte Jäger, spezielle Fischer- und Sammlergruppen)
"erfinden" den systematischen Handel in den A., denn sie müssen gegenseitig
ihre Produkte austauschen, um eine ausreichend vielseitige Nahrungsgrundlage
zu erhalten.
2. Bauerngesellschaften. Diese Phase, die
in den A. von 5.500 v.Chr. bis ins 19. Jh. reicht und in der Ackerbau und
Viehwirtschaft die Basis des Wirtschaftens bilden, ist die Phase der tiefgreifenden
ökologischen Veränderungen der A. durch den Menschen (Waldrodung
für Äcker, Wiesen, Weiden). Sie zeichnet sich durch einen Wechsel
von Blütezeiten (mit dichter Besiedlung, starker Entwaldung und großräumigen
Wirtschaftsverflechtungen) und Krisenzeiten (mit geringer Bevölkerung,
großen Waldflächen und ausgeprägter Autarkiewirtschaft)
aus.
2.1 Neolithikum (Jungsteinzeit): Ackerbau
und Viehwirtschaft werden um 10.000 v.Chr. in den vorderasiatischen Gebirgen
erfunden und erreichen die A. einmal über Nordafrika und das westliche
Mittelmeer (Südwestalpen, um 5.500 v.Chr.), zum anderen über
den Balkan (Ostalpen, um 4.500 v.Chr.). Während die Viehwirtschaft
überall in den A. möglich ist, sind die Getreidesorten auf hohe
Sonnenscheindauer und eine gewisse Trockenheit angewiesen. Daher werden
zunächst nur die inneralpinen Trockenzonen und der mediterran geprägte
Südsaum der A. besiedelt und genutzt, u.z. offenbar bereits sehr früh
(ab 5.500-4.000 v.Chr.). Zusätzlich entsteht in dieser Zeit - ebenfalls
nur in den Südwest- und Südalpen - die Transhumanz. Die restlichen
A. bleiben unbesiedelt.
2.2 Chalkolithikum (Kupfer-Steinzeit, ca.
3.800-2.000 v.Chr.): Die Ausbreitung der Kenntnis der Metallverarbeitung
aus dem Nahen Orient bis in die A. verbessert die Existenzbedingungen der
Menschen und ist mit einer Nutzungsintensivierung verbunden. Der "Mann
vom Hauslabjoch" ('Ötzi') gehört in diese Phase.
2.3 Bronzezeit (2.000-750 v.Chr.): Mit der
serienmäßigen Produktion von Metallgeräten aus Bronze (Kupfer
und 10 %-Zinnanteil) ist ein sehr starker Wirtschafts- und Bevölkerungsaufschwung
in den A. verbunden, da sich Kupferlagerstätten in Europa fast nur
in den A. finden. Der Kupferabbau wird meist in sehr großer Höhe
betrieben (von 2000 m bis zur Schneegrenze). Zur Versorgung der Bergarbeiter
muß die Land- und Almwirtschaft auch in entlegene und wenig ertragreiche
Alpentäler eingeführt werden. Von dieser Entwicklung sind besonders
die hohen Gebirgsgruppen entlang des Alpenhauptkammes geprägt.
2.4 Eisenzeit (750 v.Chr. - 15 v.Chr.): Die
Ersetzung der Bronze durch das Eisen führt alpenweit wieder zu Wüstungen
und Entsiedlungen. Die Eisenlagerstätten der A. liegen v.a. in den
östlichen Ostalpen und in den Südostalpen, so daß Gebiete
im heutigen Niederösterreich, in der Steiermark, in Kärnten und
Slowenien einen Aufschwung erleben. Daneben erlangt das Salz als Exportprodukt
eine große Bedeutung; die Zentren der alpinen Salzgewinnung liegen
in Hallstatt (Salzkammergut) und am Dürrnberg bei Hallein (südlich
von Salzburg). Von beiden Orten geht eine so große wirtschaftliche
und kulturelle Ausstrahlung aus, daß man die ältere Eisenzeit
in Mitteleuropa auch als "Hallstattzeit" bezeichnet.
2.5 Römerzeit (15 v.Chr. - 5. Jh. n.Chr.):
Die Römer haben an den A. kein wirtschaftliches, sondern lediglich
ein militärisch-strategisches Interesse. Um die Verbindung zu ihren
transalpinen Gebieten zu sichern, erobern sie im 1. Jh. v.Chr. allmählich
die gesamten A. Mit der Gründung von Etappen- und Garnisonstädten
beginnt die Geschichte der alpinen Städte. Als Nutzpflanzen werden
von ihnen Ölbaum (thermomediterrane Stufe) sowie Reben und Eßkastanien
(supramediterrane Stufe) stark gefördert und erreichen eine große
Verbreitung, womit die agrarische Produktivität dieser Regionen sich
deutlich erhöht. Dank der langen Friedenszeit, dem gut ausgebauten
Straßennetz und einem effizienten Transportwesen werden die A. in
die großräumigen Wirtschaftsverflechtungen des Römischen
Reiches einbezogen. Dieser Aufschwung betrifft aber nur die inneralpinen
Trockenzonen und die mediterran geprägten Südwest- und Südalpen,
in denen die Bevölkerung so zahlreich wie erst wieder im 13./14. Jh.
wird. Der feuchte Alpennordsaum und die östlichen Ostalpen mit ihren
ungünstigen Bedingungen für Ackerbau werden von dieser Entwicklung
nur randlich erfaßt und bleiben dünn besiedelt.
2.6 Frühes Mittelalter (5. Jh. n.Chr.
- 1000/1100 n.Chr.): Mit dem Zerfall des Römischen Reiches brechen
die großräumigen Wirtschaftsverflechtungen der A. ab, und die
Bevölkerung geht alpenweit deutlich zurück (Vordringen des Waldes
auf ehemaliges Kulturland). Dies führt in den inneralpinen Trockenzonen
und in den Südwest- und Südalpen zu einer Ausdünnung der
Bevölkerungsdichte bei kultureller Kontinuität, im Alpennordsaum
und in den östlichen Ostalpen zum Rückzug der Bevölkerung
auf wenige, inselförmige Siedlungspunkte, zur flächenhaften Wiederbewaldung
und zum Abreißen der Traditionen.
Ab dem 6. Jh. n.Chr. dringen germanische Stämme
(Alemannen im Westen, Bajuwaren im Osten) von Norden her entlang der Flüsse
allmählich in die A. vor und werden hier seßhaft. Durch ihre
Herkunft aus waldreichen Mittelgebirgs- und Beckenlandschaften verfügen
sie über Wirtschaftsformen und Ernährungsweisen (geringerer Stellenwert
des Ackerbaues, hohe Bedeutung der Viehwirtschaft), mit denen sie - im
Gegensatz zu den mediterran geprägten Kulturen - den feuchten Alpennordsaum
gut nutzen können. Gleichzeitig dringen Slawen von Südosten in
die A. vor, erreichen das Klagenfurter Becken und allmählich auch
höher gelegene Alpentäler. So entsteht in den "leeren" Alpenregionen
langsam eine neue Siedlungs- und Nutzungsstruktur.
2.7 Hochmittelalter (1000/1100-1350): Der
hochmittelalterliche Siedlungsausbau, der in ganz Europa zu einem starken
Bevölkerungswachstum mit starker Siedlungsverdichtung bzw. Besiedlung
zuvor dünnbesiedelter Landschaften führt, setzt in den Südwest-
und Südalpen um 1000, in den Nord- und östlichen Ostalpen um
1100 herum ein. Jetzt entstehen die Siedlungs-, Wirtschafts-, Nutzungs-
und Sozialstrukturen, die die A. bis ins 19./20. Jh. hinein prägen.
Die Unterschiede zwischen den Südwest-/Südalpen mit starkem Ackerbau
und ergänzender Viehwirtschaft und den Nord-/Nordostalpen mit starker
Viehwirtschaft und ergänzendem Ackerbau akzentuieren sich: Hier sehr
hohe Siedlungs- und Nutzungsdichten mit sehr starker Waldrodung (franz.
A. = 14 % Waldfläche), dort geringere Dichten (etwa ein Viertel der
Bevölkerungsdichte) und viele größere Wälder (Österr.
A. = 30 % Waldfläche). Hier Realteilung (jedes Kind erbt) mit Besitzzersplitterung,
kleine Landwirtschaftsbetriebe, dort Anerbenrecht (nur ein Sohn erbt) mit
großen Höfen. Hier Siedlungsausbau durch die Dorfgemeinschaft,
dort durch den Grund- oder Landesherren; hier die Kommune (Dorfgemeinschaft),
dort der Hof als zentrale Sozialstruktur. Zwischen diesen beiden Idealtypen
entwickeln sich zahlreiche Misch- und Übergangsformen.
Das Ausbrechen der Pest 1348, Klimaverschlechterungen,
die europäische Wirtschaftskrise und politische Instabilitäten
beenden um 1350 diese Wachstumsphase abrupt.
2.8 Spätes Mittelalter/Frühe Neuzeit
(1350-1650/1700): Nachlassende Siedlungs- und Nutzungsintensität im
gesamten Alpenraum mit Absinken der Siedlungsobergrenze und Wiederbewaldung
besonders ungünstiger Nutzflächen in schattiger/hoher Lage. Daneben
einige kürzere Ausbauphasen, die aber die Gesamtsituation nur wenig
verändern.
2.9 Protoindustrialisierung: Die der Industrialisierung
Europas vorangehende Manufaktur- oder Protoindustriephase betrifft nicht
den gesamten Alpenraum, führt aber in einigen Teilräumen zu einem
erheblichen Bevölkerungswachstum: Heimarbeit für Textilindustrie
im Verlagssystem in den ostschweiz. A., Erz- und Eisenverarbeitung in den
östlichen Ostalpen und im Valcamonica, Uhrmacherei in Genf und im
Arve-Tal, Seidenraupenzucht in den mediterran geprägten Tallagen der
Südwest-/Südalpen.
3. Industriegesellschaften: Entwertung der
Landwirtschaft und zentrale Bedeutung zuerst des zweiten Wirtschaftssektors
(Industrie), später des dritten (Dienstleistungen). Dieser von außen
kommende Strukturwandel verändert die A. in kurzer Zeit stärker
als in den acht vorausgehenden Jahrhunderten zusammen.
3.1 Frühindustrialisierung (1820-1870/80):
Keine direkte, aber starke indirekte Auswirkungen der europ. Industrialisierung
durch Zerstörung des traditionellen Wirtschaftsaustausches zwischen
den A. und ihren Vorländern, Ruinierung des ländlichen und bäuerlichen
Handwerks, des Saumhandels, des ländlichen Gewerbes und der Bergwerksbetriebe
und Erzverarbeitungsanlagen durch industriell gefertigte Waren = Reagrarisierung
des Alpenraumes. Seit der Protoindustrialisierung eine sehr starke, industriell
verursachte Waldnutzung zur Herstellung von Holzkohle (vor der Erschließung
von Braun-/Steinkohle zentrale Energie der Proto- und Frühindustrialisierung)
mit großen Kahlschlägen, überlagert von einer Klimaverschlechterung
(kleine Eiszeit).
3.2 Industrialisierung (1870/80-1955): Mit
dem Bau von Eisenbahnen (Brenner 1867), der Entstehung eines ersten Massentourismus
("Belle Epoque") ab 1880, den ersten Industrieansiedlungen in den A. auf
der Basis der Wasserkraftnutzung ab 1890 und der großen europ. Agrarkrise
von 1880 dringt "die Industrie" direkt in die A. ein. Die A. werden flächenhaft
zur Peripherie und zum strukturschwachen Raum entwertet (Abwanderung) und
erleben nur auf kleinen Teilfächen punkt- oder linienhaft eine positive
Entwicklung (Industrie, Tourismus, Städtewachstum durch Eisenbahnanschluß).
3.3 Übergangsphase (1955-1980): Mit
dem Entstehen eines relativ dezentralen Sommermassentourismus (ab 1955)
und des Wintertourismus (ab 1965), mit der Verlagerung industrieller Arbeitsplätze
in die A. wegen Vollbeschäftigung in den Zentren (ab 1960) und mit
einem inneralpinen Städtewachstum dank besserer Erreichbarkeit (ab
1965) werden größere Teilräume der A. (ca. 40-50 % der
Fläche) ökonomisch wieder aufgewertet und verzeichnen ein starkes
Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Zugleich übt die europaweite
Vollbeschäftigung eine sehr starke Sogwirkung aus, was zur beschleunigten
Entleerung der strukturschwachen Alpenregionen führt. Die Erschließung
der A. für den motorisierten Individualverkehr (ab 1955) schafft scharfe
kleinräumige Gegensätze zwischen gut erreichbaren Tal- und schwer
erreichbaren Berglagen.
3.4 Dienstleistungsgesellschaft (ab 1980):
Ca. 1980 gibt es einen Trendbruch, indem die Industrie überall in
den A. in die Krise gerät und der Tourismus auf hohem Niveau zu stagnieren
beginnt. Gleichzeitig wachsen nicht nur die Städte in den A. (jetzt
mit Autobahnanschluß) weiterhin stark, sondern die großen Agglomerationen
am Alpenrand (Zürich, München, Wien, Mailand, Turin usw.) erreichen
den Alpenrand und funktionieren die Alpentäler zu Wohnstandorten für
Pendler um. Die strukturschwachen Alpenregionen entsiedeln sich dagegen
völlig, so daß die Gegensätze in den A. wachsen: Die tiefen
und gut erreichbaren Tallagen der A. verstädtern zunehmend, der eigentliche
Gebirgsraum wird menschenleer. Tourismus (als inzwischen einziger dezentraler
Wirtschaftsfaktor) schafft nur an wenigen Standorten im Gebirge punkt-
oder bandförmig (flächenhaft nur in den westlichen Ostalpen)
eine Gegenbewegung (hin zur touristischen Verstädterung).